Moschi
Wir fahren in den Urlaub, meine Frau, unser Kimihundzi, ein Mädi, schwarze Haare wie das Frauli. Ums Goscherl schon weiß, wie das Herrl am Kopferl. Kimi ist zwölf, ich bin angeblich älter. Wir fahren nach Kroatien, bald.
Vor mir ein Fenster, dass ich rausschau in die Zukunft. Wenn es dunkel wird, schau ich rauf in den Sternenhimmel in die Vergangenheit. Für meine süße Frau ist das jetzt. Ohne Anführungszeichen, als wäre sie die liebe Frau Gott. Aber mit beten und täglich beichten ist da nix. Sie sagt nur: „Hast du schon…“, ohne Fragezeichen. Das fühlt sich an wie Wechselstrom, alles wechselt so komisch. Oder sie sagt: „Wir müssen heut noch…“ Ich geh dann ganz leise Mist ausleeren, nutzt aber nix. Jetzt schaut sie grad „Fifty Shades of Grey“, mit Kristschän und Schokolade im Mund.
Wir fahren nach Moschi, St. Pöltnerisch: Mosche, für Moscenicka Draga. Ich schau dann nach im Onkel Google, wo die Hatscheks genau sind. Hatscheks fahren noch mit der Dampflokomotive, so alt sind die, sie fahren wie unsere Kaiserin Sissi nach Abazia/Opatja, gleich neben Moschi. Meine Frau hat das Musical „Elisabeth“ 78mal gesehen, sie kann alle Lieder daraus singen und die Texte auch von hinten aufsagen.
In St. Pölten fahren wir auf die Autobahn bis zur Abfahrt bei Opatja. Dann von oben zum ersten Mal der Blick aufs Meer. So schön, dass ich nur das Meer selbst fragen kann, wie ich das beschreiben könnte. Es sagt: „Komm einfach zu mir rein, salzig schmusen.“ Meine Bibel heißt ab diesem Zeitpunkt Cevapcici, die meiner Frau heißt … hat keinen Namen, solche Dinge sind ihr wurscht. Es ist zehn Uhr elf, sie redet seit vier Uhr früh ununterbrochen, ich lächle und hör ihr zu.
Sie beginnt im Jahr 1969, da hat sie in Moschi mit drei Jahren schwimmen gelernt. Später hat der ältere Bruder meiner Frau seiner Zuckerpuppenschwester im Lebensmittelgeschäft ‚Konzum‘ Spaghetti mit Fleischsoß gekauft. Man kann auch Sauce schreiben und sagen, aber das schmeckt a bissl fad. Die Spaghetti-Soß in Moschi war immer so gut und heiß wie die Sonne im Mund. Mollert sagte man zu Zeiten der Hatscheks, aber die waren ja in Prag und haben bei der Moldau geweint. „Warum soll ich bei der Moldau weinen?“, sagt meine Frau. Sie tut gern so, als würde sie dieses schöne Musikstück nicht kennen. Dann werd ich narrisch und laut – und sie kann mich ordentlich durchschimpfen. Da sagt sie: „Gott sei Dank hören uns im Auto keine Nachbarn, ist ja furchtbar, wie du dich gleich aufregst!“ Dann gibt sie mir das zweite Jausenbrot, dazu ein oranges Trinki. Wenn ich brav geschluckt hab, bekomm ich einen Becher vom heißen Kaffee in der Thermoskanne – und alles ist gut.
Bald sind wir hinter dem Restaurant Rubin in Moschi. Da ist ein kleiner Strand mit warmer Steinplatte, Felsen, blau-türkisem Wasser, und alle sind nackert. Nackert ist super, da sind Menschen so höflich und geben dir ein Stück Kuchen oder Kekserl aus einem rosa Plastikgschirrl. No na, ist ja auch ein Mädchen, von dem du das Kekserl bekommst. Gut Mitte 70 aber Mädchen.
Nur dort an Moschis Steinen triffst du Menschinnen, die seit über 50 und oft seit über 60 Jahren glücklich verheiratet und jedes Jahr in Moschi sind. Moschi ist nämlich der Mittelpunkt des Universums. Früher sogar mit Beschriftung: Delikatess und Voith-Lager. Da waren immer die schönsten Menschen, zum Beispiel die Mama von meiner Frau. Ich hab Mama zu dieser wunderschönen Frau gesagt, leider nicht mehr in Moschi, aber in der Josefstraße oder eben jetzt mitten in der Milchstraße, mit den zwei Hauptbahnhöfen St. Pölten und Moschi.
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Roul Starka
St. Pölten, 17.6.22
P.S.: Korrekte Schreibweise: Mošćenička Draga, Ćevapčići