Floyd
„Floyd, erzähl…“„Es roch nach Angst, nicht nach meiner, nach seiner.“
„Aber du musst doch Angst gehabt haben?“
„Natürlich, mehr als je zuvor, aber meine war Todesangst, seine war Angst vor seinem eigenen Hass, das stinkt wirklich.“
„Wo bist du jetzt?“
„Oh Gott, ich stellte mir auch immer diese Frage, wo man denn dann sei. Also gut, ich bin überall, aber es ist nicht euer überall, es ist ein anderes Überall, über dem All, so irgendwie.“
„Somewhere over the rainbow?“
„Meinetwegen, die Worte sind gar nicht so schlecht, aber besser ist, du hörst dieses Lied.“
„Die Version vom Israel Kamakawiwo’ole?“
„Gute Idee, der sitzt eh neben mir und lacht, nimm gleich das Medley mit Wonderful World.“
„Macht ihr da, wo ihr seid, Musik?“
„No na ned nana!“
„Du kannst ja meinen Dialekt!?“
„Jetzt schon.“
„Wie denkst du jetzt über den Cop?“
„Ich würde ihn umarmen und ganz fest drücken.“
„Was? Wir wollen ihn alle ewig lang einsperren, manche wollen ihn hinrichten!“
„Das ist ja das Problem. Aber das befriedigt nur deine Wut, deine Machtlosigkeit, deinen Hass. Es geht dir jetzt wie damals dem Cop, als er klein war, sich nicht wehren konnte gegen eine Bedrohung, gegen eine Einsamkeit.“
„Herrgott, wir können ja nicht alle Mörder umarmen und fest drücken, das ist ja Wahnsinn!“
„Probier es mal mit Fraugott und umarmen, das mit dem Einsperren und Bestrafen funktioniert ja nicht so toll.“
„Floyd, bei aller Liebe, wenn ich das vorschlage…“
„…sind die Chancen gut, dass du bald mit uns musizierst, keep cool, it’s just a little step. Entschuldige, der Israel, ja, der heißt so, hat sich grad angemacht vor lachen.“
„George, jetzt ist sicher nicht der richtige Zeitpunkt, um zu blödeln.“
„Ja, soll ich mit dir versinken in deiner täglichen Betroffenheitsorgie, nur um deine Unbeholfenheit und Angst zu kaschieren? Außerdem bin ich der Tote, nicht du, und ich darf dir etwas zukommen lassen.“
„Wer sagt, dass ich Angst hab?“
„Ich. Kann es bis hierher riechen, du riechst wie der Cop und möchtest wild um dich schlagen. Euch fällt immer nur die Angst der anderen auf, eure eigene nie. Und Angst verwandelt sich in Hass. Es ist nicht die lebensnotwendige, gesunde Angst vor einer realen Bedrohung. Es ist die Angst vor der Angst um euch herum, die Angst vor diesen merkwürdigen Plastikenergien zwischen euren BILLA-Regalen.“
„Und was könnten wir machen, wir alle?“
„Die Herz Dame im Kartenspiel neu gestalten, Aretha Franklin sitzt neben mir, wär doch ein schönes Foto. Dann die Karten mischen und spielen, statt stechen sagt umarmen, statt Talon sagt ihr bedingungsloses Grundeinkommen, so einfach.“
„George?“
„Yep?“
„Warum hast du so große Lippen?“
„Weil ich noch viele küssen muss.“
Roul Starka
St. Pölten, 5.6.20
…
„Aretha?“
„Honey?“
„Are you god?“
„No, I’m her sister.“
„You meant daughter.“
„Sister, I said…“